So kann es sich anfühlen, Mitte 20 zu sein

25. Wäre ich ein Optiker, Friseursalon oder Elektrofachgeschäft, wurde ich dieses Jahr groß Jubiläum feiern. Mir eine Schärpe umhängen und jeden an meinem Alter teilhaben lassen. Doch ich bin weder ein Geschäft, noch feiere ich mich jemals wirklich selbst. Erst recht nicht mit 25.

25 ist ein Alter, mit dem sich gut rechnen lässt. Die Hälfte von 50, ein Viertel des Lebens, wenn man die 100 schafft. Meine Uroma hat sie geschafft, trug mehr Geschichte in sich als die DDR. Wahrscheinlich deshalb fängt man mit 25 zum ersten Mal an, sein Leben ernsthaft zu evaluieren. Die Stellen, an denen es schmerzt, die Stellen, an denen es drückt. Die blauen Flecken, die einem das Leben verpasst hat und die, die man verpasst hat. Man fängt an, zurück, vor, aber auch neben sich zu schauen. Wo stehst du? Passt dir das Leben, das du anhast?

Erst muss mir nochmal jemand beibringen, wie man richtig Origami-Schwäne bastelt, bevor ich hinaus in die Welt gehen kann.

Bei mir juckt es immer wieder. Was eigentlich jammern auf höchstem Niveau gleichkommt.

Ich habe einen Job. Hier kann ich schon einen Punkt hinter setzten. Überhaupt einen Job zu haben, ist ein Privileg. Mein Job macht mich an manchen Tagen glücklich, an anderen weniger. Trotzdem durchströmt mich immer wieder das Gefühl, dass ich doch eigentlich noch gar nicht bereit dafür bin, dass das alles so schnell ging, dass mir doch erst nochmal jemand beibringen muss, wie man richtig Origami-Schwäne bastelt, bevor ich hinaus in die Welt gehen kann.

Der Übergang von Uni zu Arbeit kam abrupt und schmerzfrei, aber vor allem subtil daher. Plötzlich steckt man mitten im Nine-to-five leben und plant seine Wochenenden wie früher vielleicht mal einen Urlaub. Akribisch, sorgfältig, mit Liebe. Plötzlich ist man das, was man früher für Erwachsen sein hielt und merkt, dass sich Erwachsen sein nach weniger Zeit für sich, mit Freude Zeitung lesen und den Wunsch nach Mittagsschlaf anfühlt.

Neue Freunde finden kann sich wie Daten anfühlen.

Ich habe eine Beziehung. Und das in Berlin. Selbst wenn ich allein bin, fühle ich mich nicht allein. Von eigenen Kindern stehen wir noch entfernt, aber es liegt nicht mehr die Ewigkeit dazwischen. Da tickt nichts, aber manchmal ist da eine innere Unruhe. Mit 25 stehe ich an der Biege des Flusses Richtung Familie und habe Angst davor, dass meine Eltern altern.

Ich habe Freunde. Solche, an die ich über die Jahre herangewachsen bin, solche, wie man sie sich mit 17, aber auch mit 71 noch wünscht. Aber kommt man sich mit anderen Menschen nochmal so nah? Welche, die nicht wissen, wie deine Heimatstadt aussieht, die sich nicht merken können, wie viele Geschwister du hast. Die, die schon ihr eigenes Rudel haben. Haben wir jetzt schon verlernt, wie das geht? Neue Freunde finden. Mit Mitte Zwanzig kann sich das wie Daten anfühlen.

Angeblich kommen neue Freunde ganz natürlich dazu, wenn man Kinder hat und auf dem Spielplatz mit anderen Eltern Sand aus den Schuhen der Kleinen schüttet. Aber was, wenn die Freundschaft auf dem Spielplatz sitzen bleibt und keine Lust hat, mit spazieren, UNO spielen oder trinken zu gehen?

Kann ich jetzt schon die Person lieben, die ich auch in zehn Jahren noch lieben möchte?

Sehen so die Sorgen einer 25-Jährigen aus, frage ich mich?

Müsste ich nicht entweder schon viel weiter sein (hallo Leistungsgesellschaft) oder gerade noch an meiner Weiterentwicklung zum Bisaknosp arbeiten? Müsste ich nicht erstmal die Welt aus mindestens zehn Perspektiven betrachten, bevor ich jeden Tag nur noch auf den Computer schaue? Kann ich jetzt schon die Person lieben, die ich auch in zehn Jahren noch lieben möchte?

Vielleicht. Genauso gut könnte mein Leben auch ganz anders aussehen als jetzt. Und es wird auch noch anders werden. 25 ist doch nur eine Zahl. Wer sich aus diesem Grund eine Schärpe umhängen möchte, kann das gerne tun.


Titelbild: © Benjamin Combs/Snappa

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