Eine längst überfällige Liebeserklärung an die Übergangsjacke

© Filmstill "Rebel without a cause"

Liebste Übergangsjacke,

auf den Frühling habe ich gefühlt seit Silvester gewartet. Und plötzlich ist er da, mit voller Wucht: Innerhalb von wenigen Tagen hat sich die Stadt ihr zartgrünes Kleid übergeworfen und die Menschen haben wieder Eistüten in der Hand statt Frostbeulen am Fuß. Auch Anziehen macht endlich wieder Spaß – denn du, mein liebstes Kleidungsstück, kommst wieder ins Spiel. Du bist die modische Ecklösung für alle Wetterlagen von März bis Mai und textile Ausstiegsdroge für Liebhaber schwerer Wollmäntel wie mich: Du, die Übergangsjacke.

© Basiers Volés

Erst heute habe ich an dich gedacht. Als ich morgens mit dem Fahrrad durch duftigen, kühlen Frühlingsnebel fuhr und sich mein langer Wollmantel immer wieder in den Speichen der Räder verfing. Da habe ich dich sehr vermisst und mich geärgert, dass ich dir nicht vertraut habe, vorhin vor dem Kleiderschrank. Mir dachte, dass du mich nicht warmhalten würdest bei der Frische draußen. Dabei ist genau das dein größtes Talent: Du hälst warm oder kühl, bist leicht und doch schützend, du bist nie zu viel, aber auch nie zu wenig.

Übergangsjacke – das klingt wie etwas, das man beim Reifenwechseln trägt.

Allerdings hast du auch einen Makel. Keinen schlimmen, wirklich nicht. Aber du bist – naja, dein Ruf ist irgendwie unsexy. Das liegt zu großen Teilen an deinem Namen. Nur in der deutschen Sprache gibt man etwas so Großartigem wie dir einen so holprigen Namen wie Übergangsjacke. Wobei, im Englischen heißt du transitional jacket, das klingt wie etwas, das man beim Reifenwechsel oder Heizung entlüften trägt. Ganz sicher haben auch unsere Mütter Mitschuld daran, die uns mit dem Tragen von unbequemen Anoraks in blau und rot gequält haben. Es ist dann ein bisschen so, als mache man eine heiße Clubbekanntschaft, die aber heißt wie das uncoolste Kind aus der Grundschule.

© Breakfast at Tiffany's

Nein, die offenkundige Erotik einer Lederjacke und die Coolness einer Jeansjacke fehlen dir wirklich. Aber im Grunde ist mir das ganz egal, liebe Übergangsjacke. Mit dir würde ich vielleicht keine Pferde, aber dafür ganz sicher Gänseblümchen stehlen. Ich will dich jeden Tag als meinen Begleiter wissen und ich verspreche, dass ich dich tragen werde, bis die Temperaturen wirklich nur noch eine einzige Schicht zwischen Haut und Welt zulassen. Und bis dahin haben wir einfach eine kleine Liebesaffäre. Zwei oder drei Monate lang schmiegen wir uns aneinander und genießen die kurze, süße Schwebe. Mit dem letzten Spargel verabschieden wir uns dann wehmütig bis zum Herbst. Aber bis dahin ist es noch so lang. Wir treffen uns morgen früh am Kleiderschrank.

Küsse,
eine Verehrerin

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