"Ein verkauftes Buch ist besser als keines" – So fühlt es sich an, sein erstes Buch zu veröffentlichen

Robert Gold ist ein guter Typ, das merkt man gleich. Nicht nur, weil sein Name klingt wie der eines schüchternen Helden eines Abenteuerromans, sondern auch, weil er das macht, was wir uns selbst oft nicht trauen: Alles hinschmeißen und nur noch das tun, wofür man wirklich brennt. Robert hat's also durchgezogen, seine über 14 Jahre aufgebaute Filmproduktionsfirma verlassen und ein Buch geschrieben. Und wie. "Wenderoman? Ja. 90er-Roman? Ja. Berlin-Roman? Auf jeden Fall.", so beschreibt er Flieg ich durch die Welt.

Aber weil Robert Gold nicht nur ein guter, sondern auch ein ehrlicher Typ ist, hat er auch den aufregenden, wichtigen Tag der Buchveröffentlichung und die darauffolgenden Besuche auf der Leipziger Buchmesse dokumentiert und erzählt, wie das so ist, wenn man sein erstes Buch raus in die Welt schickt. Ein spannender Perspektivwechsel und ein lustiger noch dazu. Hier könnt ihr einen Ausschnitt der Veröffentlichungsgeschichte lesen und danach solltet ihr ohne Umschweife mit Flieg ich durch die Welt anfangen, das am 14.3. im Eulenspiegel Verlag erschienen ist.


Aus "Eine Debütantenstory"

Dieses Summen, wenn man die Glashalle betritt. Es nimmt mich sofort auf, verschluckt die Angst und beruhigt. Wir laufen über die Messe und landen schließlich am Stand meines Verlages. Hier sind alle nett, wir trinken einen Sekt, räumen ein paar Missverständnisse aus, das Buch wurde schon gut verkauft und kommt an. Es steht prominent im Regal unter der Biographie eines coolen Sängers. Wird schon werden. Ich werde an einen Bistrotisch gestellt, darauf ein Namensschild und ein paar Exemplare meines Buches. Völlig unvorbereitet halte ich gleich meine erste Signierstunde ab. Ich kann gerade noch einen Stift auftreiben, da steht schon mein erster Käufer vor mir. Sagt man Leser, Fan, Käufer oder Kunde? Er lächelt mich an, ich lächle zurück. Er sieht auch wie ein Wachturm-Verteiler und hat sehr viel Schweiß auf der Stirn. Aber er hat das Buch in der Hand und hält es mir hin. Er warte schon die ganze Zeit, sagt er, ob ich ihm etwas Nettes reinschreiben könne. Ich frage, wie er heißt. Er sagt: Ringo. Ich schreibe etwas Rühriges in sein Buch.

In der folgenden Stunde kommen viele Leute an meinen Tisch, fragen mich etwas zum Titel, zum Inhalt oder auch nur, ob ich mir nicht doch einen Künstlernamen gegeben hätte. Oder sie wollen einfach nur ein Autogramm. Muss man aber kaufen, sagt meine Verlagsfrau. Kann ich mir nicht leisten, sagt die Frau mit dem Schiebewägelchen, an dem Tüten und Beutel aller Art hängen. Der Sachse hat sich eben noch nie etwas vorschreiben lassen. Sie kramt stattdessen den zerknitterten Rest eines Notizblocks mit ARD-Digital-Logo hervor. Sie erzählt mir, dass sie wegen ihrer Gehbehinderung nur noch siebzig Autogramme an zwei Messetagen schafft und schreibt meinen Namen nochmal ordentlich an den unteren Rand. Draußen wartet ihr Lebensgefährte den ganzen Tag im Auto und hört Radio, sagt sie. Manche Leute kaufen mein Buch und haben gar kein Interesse an einer Signatur. Auch ok.

Es sind nicht mehr als zwanzig Zuhörer, doch mein Kopf muss aussehen wie eine reife Biotomate.

Beim sechsten oder siebten Autogramm fällt mir auf, dass ich die ganze Zeit mit meiner "echten" Unterschrift signiere. Ringo und die anderen könnten, wenn sie wollten, locker einen Prepaidvertrag in meinem Namen abschließen. Ich muss professioneller werden, probiere einige eher künstlerische Signaturen und habe mich fast entschieden, als meine Eltern überraschend vor mir stehen. Wieder freue ich mich sehr. Auch sie, die den Inhalt des Romans noch nicht kennen, wollen dabei sein und sich nun "ihr" Buch signieren lassen. Anders als vorher immer gedacht, ist auch dies wieder kein großer Moment, denn andere stehen drängelnd hinter ihnen und wollen auch mal. Zum Spaß aber zeige ich meinen Eltern, beide Nervenärzte, meine neue Kurzsignatur. Mein Vater ermahnt, dass dies nicht zu mir passe. Albert Einstein hätte immer ganz ordentlich seinen vollen Namen hingeschrieben, sowas sei eher gut. Meine Mutter plädiert auch für die schlichte Variante. Ich dachte, ich hätte mich bereits vor über zwei Jahrzehnten von meinen Eltern gelöst. Ich bin durcheinander.

Aber dann ist die Signierstunde vorbei, ich muss zu einer Lesung in Halle 5. Obwohl auch dies eine Premiere ist, fühle ich mich wohl, das Üben zahlt sich aus. Es flutscht, finde ich. Ich hätte nur gern meine Durchblutung besser im Griff. Es sind nicht mehr als zwanzig Zuhörer, doch mein Kopf muss aussehen wie eine reife Biotomate. Aber dagegen bin ich leider machtlos. Später sagt meine Mutter, das Mädchen in der Reihe vor ihr hätte sich sehr gut amüsiert. Ich sage ihr, dass dies die neue Praktikantin des Verlages war. Abends habe ich eine weitere Lesung in der Stadt. Ich stehe mit meiner Pressefrau im Stau, wir kommen fünf Minuten zu spät. Der Leseraum ist im Obergeschoss, langsam quälen sich ein paar Besucher aus der Kneipe nach oben.

Ich gehe nochmal aufs Klo. Während ich am Urinal stehe, fällt mein Blick auf mein Foto, jenes, das nicht im Buch ist. Dreißig Zentimeter vor meinen Augen hängt eine Werbung für meine Lesung. Das ist eigentlich nicht Schlimmes, als Mann kennt man das. Aber sich selbst beim Pinkeln anzuschauen ist schon komisch. Ich denke sogar noch, ach wie toll, dass sie extra Werbung machen. Ich muss im Schock sein.

Sich selbst beim Pinkeln anzuschauen ist schon komisch.

Aber auch diese Lesung macht Spaß. Die Leute hören zu, lachen oder sind einfach aufmerksam. Und alle bleiben, obwohl es keinen Eintritt kostet. Später unterhalte ich mich mit einer Runde von drei Frauen aus Berlin-Schöneberg. Sie sind sehr an dem Stoff interessiert, obwohl er hauptsächlich im Osten spielt, auch nach der Wende. Aber das war genau meine Hoffnung, dass es kein Buch für Ostler wird. Sondern eines, das etwas Neues über diese Zeit und den ständigen Wandel, vor allem in den ersten Jahren nach dem Mauerfall, erzählt. Und wir sind alle Berliner und zur gleichen Zeit erwachsen geworden. Sie haben, natürlich, auch mal im Prenzlauer Berg gewohnt. Immerhin gibts in meinem Roman einen Laden in Kreuzberg und ein illegales Restaurant in Moabit. Sie möchten, dass ich zwei Namen in ihr erworbenes Buch schreibe. Also: Für Rita und Katrin. Danke. Bitte. Ein verkauftes Buch ist besser als keines, denke ich beglückt. In der dritten Nacht schlafe ich wunderbar.


Titelfoto: © Unsplash

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