Warum sich Gregor Gysi nach dem Baden seine Köperbehaarung föhnt

Über Gregor Gysi hat man sich schon viel erzählt, jetzt in ein neues Buch auf dem Markt, das sich ihm und der Politik nähert: "Sex mit Gysi". Igitt, werdet ihr jetzt denken. Müsst ihr ja nicht haben, aber der Roman mit dem gleichnamigen Titel ist trotzdem durchaus lesenswert. Geschrieben hat ihn Sarah Waterfeld, die 2012 selbst eine Stelle im Bundestag als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Abgeordnete der Linksfraktion antrat. Ihr Roman ist ein Kabinettstück über die politische Kultur Deutschlands. Wir haben eine kleine Leseprobe für euch.

Aus dem Buch: Sex mit Gysi

Vorwort: Dies ist ein satirischer Roman. Einige fiktive Figuren sind angeregt durch reale Personen, aber nicht mit ihnen identisch. Die Handlung ist nicht dokumentarische Darstellung tatsächlicher Vorgänge. Das Buch erhebt also keinesfalls den Anspruch, die geschilderten Vorgänge könnten wahr sein und sich so zugetragen haben.

Aus dem Kapitel: Pharmakós

Er tauchte noch einmal unter, um sich den Schaum aus den Ohren zu waschen, und hievte sich dann schwungvoll aus der Badewanne. Seit er den Pharmakós bestimmt hatte, hatte er schon zwei Kilo abgenommen, und der Tinnitus trat beinahe nur noch auf, wenn er sich über die Wagenknecht echauffierte, diese Autistin, oder wenn der Fahrer noch nicht vor der Tür stand und er warten musste. Er war dann gezwungen, eine Minute oder manchmal sogar noch länger auf dem Bürgersteig der Wilhelmstraße auszuharren. Schon wenn er den Sicherheitsbereich der 68a erreichte und sah, dass die Parkbucht leer war, erzitterte er innerlich. Er ging die wenigen Stufen zur Tür dann fast in Zeitlupe hinab oder scherzte vorher noch mit den beiden Securitys in der Kabine in der Hoffnung, nicht dort stehen zu müssen. Es kam vor, dass er auf dem Absatz kehrt machte, zurück ins Büro ging und vorgab, etwas vergessen zu haben. Bloß nicht dort stehen und sich den Blicken des Fußvolks aussetzen. Der große Gysi – bestellt und nicht abgeholt. Ihm war bewusst, wie lächerlich seine Angst war, aber er konnte einfach nicht warten, er konnte es nicht.

Gysi stand vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer und föhnte seine Körperbehaarung. Das tat er schon seit seiner Jugend.

In einer halben Stunde würden seine Leute eintreffen, um zu berichten, was sie über Syana Wasserbrink in Erfahrung bringen konnten. Er hatte seine beiden Besten auf sie angesetzt, Kama und Dombi.

Jeder im engen Zirkel hatte sich einen Namen aus den Überlieferungen des linken Pfad des Tantra ausgesucht. Er selbst war der Tantriker, immerhin war es seine Idee gewesen. Dombi war in der Überlieferung als die kastenlose Wäscherin bekannt. Sie verkörperte den Idealtyp der sexuellen Vereinigung, denn nur sie genoss die wahre Freiheit und göttliche Unbeschwertheit. Kama hingegen war der Gott der Begierde, was auf den Träger des Namens passte wie die Faust aufs Auge.

Es war nicht leicht gewesen, die beiden von seinem Opferungsplan zu überzeugen, aber er war eben auch im Privaten ein herausragender Rhetoriker, und man konnte sich seinen Wünschen und Plänen nur schwer widersetzen.

Gysi stand vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer und föhnte seine Körperbehaarung. Das tat er schon seit seiner Jugend, denn wie sehr er auch das Baden liebte, er hasste es, nach einem ausgiebigen Bad zu frieren. Die kleinen Wassertropfen verfingen sich in seiner starken Körperbehaarung auf Rücken und Beinen, und beim kleinsten Luftzug standen ihm die feuchten Haare zu Berge. Das Frösteln machte die Wonnen der warmschaumigen Reinigung im Nu wieder zunichte, und so föhnte er nach dem Abtrocknen immer noch einige Minuten seinen Hals, die Achseln, den Bauch und den Schambereich.

Es kam zuweilen vor, dass er ins Visier geheimdienstlicher Ermittler oder übereifriger Journalisten geriet, die der fixen Idee anhingen, er verwalte das verschwundene SED-Vermögen. Was für Hirnis.

Bei herrlichem Wetter würden sie im Garten unter dem Kupfernetz sitzen können, das nicht nur nützlich, sondern auch hübsch anzusehen war, weil die rautenblättrige Klimme, der russische Wein, es in wilden Schlingen umwuchs. Um 45 Grad umeinandergedrehte Kreuzmuster aus Kupfer sollten diesen Bereich des Gartens abhörsicher machen, man konnte nie vorsichtig genug sein. Er hatte immer noch die nötigen Kontakte, um eine Ausrüstung zu bekommen, die der Arbeit eines oppositionellen Fraktionsführers angemessen war. Es kam zuweilen vor, dass er ins Visier geheimdienstlicher Ermittler oder übereifriger Journalisten geriet, die der fixen Idee anhingen, er verwalte das verschwundene SED- Vermögen. Was für Hirnis.

Mittels eingebauter Dioden konnte Gysi zur Not über einen Hebel an der Terrasse Strom zwischen die Schaltkreise schalten, wodurch sogar Handysignale blockiert wurden. Mobile Endgeräte hatten bei solchen Unterredungen ohnehin nichts verloren. Man schrieb mit der Hand auf Papier, das war das Sicherste. Die ganz heiklen Themen wurden überhaupt nicht mündlich besprochen, sondern nur schriftlich überreicht und anschließend verbrannt. Der Tantra-Code war lediglich in brenzligen Situationen, wenn Telefonate unumgehbar waren, angebracht, dafür aber so ausgeklügelt, dass kein Geheimdienst ihn jemals würde dekodieren können. Alle Beteiligten kannten ihn auswendig, und es gab nur ein einziges Schriftstück, das alle Benennungen enthielt. Nur er selbst, der Tantriker, war im Besitz dieses Meisterwerks und hatte es an einem Ort in Sicherheit gebracht, den nur er kannte.

Gysi schlüpfte in ein olivfarbenes Hemd aus einem Baumwoll-Seide-Mix und einen luftigen beigen Leinenanzug. Den Bund der Hose hatte er erst in der vergangenen Woche etwas weiter machen lassen, und nun saß der wieder wie angegossen. Er öffnete die oberste Schublade seiner Kommode und besah seine Sammlung aus Sonnenbrillen. Schließlich entschied er sich für ein sehr dunkles randloses Oakley-Modell, das ihn, wie er fand, jünger machte. Er hatte seine Sekretärin gezielt nach diesem Modell Ausschau halten lassen, als es ihm damals im Blockbuster-Movie Mr. And Mrs. Smith aufgefallen war.

Auch er saß im Hamsterrad des Systems, da machte er sich nichts vor.

Er ging hinunter in die Küche, von der aus er in den Garten sehen konnte, und richtete ein Tablett mit Eistee an. Schon am Abend zuvor hatte er frische Minzeblätter, etwas Ingwer und eine Handvoll Limettenwürfel mit kochendem Wasser übergossen und über Nacht ziehen lassen. Nun goss er den Tee durch ein Sieb in eine schöne Kristallkaraffe, die einst seiner Großmutter gehört hatte, und drapierte sie mit drei unterschiedlichen Gläsern auf das Holztablett. Zwar hätte er durchaus zur Karaffe passende Gläser parat gehabt, fand aber, dass das zu feudal wirkte. Die Gläser sollten eher wie zufällig aus dem Regal gegriffen aussehen.

Es war immer eine Gratwanderung, die man als besitzender Linker zu bewerkstelligen hatte. Er war nicht bettelarm, und das erwartete auch niemand von ihm. Er musste auf seine Garderobe achten, als Jurist, als Bundestagsabgeordneter, als Person öffentlichen Interesses. Aristokratisch anmutende Fehltritte konnte er sich aber auf keinen Fall erlauben. Er konnte nicht auf der privaten Yacht eine Freundes Urlaub machen, Hummer im Adlon essen oder mit einem auffälligen Burberry-Schal herumstolzieren. Und das wollte er auch gar nicht. Sicher genoss er gerne einen guten Wein und aß lieber frische Pasta mit einem Hauch weißer Trüffel als einen Toast Hawaii, aber wenn es darauf ankam, konnte er auf jeglichen Luxus verzichten. Was brauchte man denn schon im Leben? Er brauchte wahre Freundschaft, den intellektuellen Austausch auf Augenhöhe, die Natur, die Berge und klare Seen, ein Dach über dem Kopf, das helle Lachen von Kindern und die Wärme einer Frau. Er stellte keine großen Ansprüche, gab vor sich selbst aber durchaus zu, zu Bequemlichkeit zu neigen. Auch er saß im Hamsterrad des Systems, da machte er sich nichts vor.


Auszug aus “Sex mit Gysi” von Sarah Waterfeld, erschienen im Eulenspiegel Verlag.

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