Ich sag Ja zu den olympischen Dimensionen

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von Moritz Ballerstädt und Steffen Lehmann

Erinnern wir uns an den Sommer 2006. Laue Sommermonate, ein kurzer Schwatz mit spanischen Fußball-Fans an der Spree, die Schweden am Ku'damm. Ich selbst unterhielt mich lange mit einem polnischen Fan im Zug – wir kamen aus Hannover, wollten nach Berlin. Es war ein kurze Zugfahrt, es war eine tolle Zugfahrt.

Sportliche Großereignisse sind Feste der Völker – und nicht nur das, sogar Feste der Generationen. Oder gibt es vergleichbare Großereignisse, die Jung und Alt gleichermaßen spannend verfolgen? Wir in Deutschland können einmal mehr beweisen, dass wir gastfreundschaftlich sind, dass wir die Welt mit offenen Armen empfangen.

Die finanzielle Dimension

Hamburg oder Berlin dürften sich nicht für Olympia qualifizieren, das sei ein Millionengrab. Die Olympischen Winterspiele in Sotchi 2014 hätten das bewiesen. Doch in Sotchi leben gerade einmal etwas mehr als 340.000 Menschen – in Berlin sind es mehr als 3,5 Millionen. Investitionen müssen da getätigt werden, wo die Menschen tatsächlich leben – und sind dementsprechend in Berlin gut aufgehoben.

Wir unterstützen den Theaterbetrieb, geben uns die Berlinale als Plattform für die Kunst im Film. Die Kulturverwaltung des Berliner Senats wendet im Jahr rund 400 Millionen auf, um Kultur zu fördern – und das ist auch richtig so. Doch sind auch sportliche Großereignisse große Kulturveranstaltungen – und sie bringen Millionen Menschen zusätzlich in die Stadt, in das Land.

Doch das ist noch nicht alles: Angenommen, Berlin bekäme den Zuschlag für die Spiele. Ein großer Investitionsposten geht in die Modernisierung oder die Errichtung von Infrastruktur. Es geht an dieser Stelle nicht darum, dass ein paar Häuser angepinselt werden müssen. Das verstehen die Olympia-Kritiker nicht. Richtig ist, dass in Berlin bereits viele Sportstätten vorhanden sind. Nehmen wir nur das Olympiastadion, das in den 2000er Jahren aufwendig saniert wurde. Hier hat der Senat mit Bundesligist einen Dauermieter gefunden, über den Geld zurück an die Stadt fließt. Ferner gibt es das Velodrom und z.B. die Max-Schmeling-Halle – beides Projekte, die bereits im Zuge der Olympia-Bewerbung für 2000 realisiert wurden.

Wenn wir über Infrastruktur reden, dann sind das Bereiche, die Umdenken oder die Realisierung von Projekten im öffentlichen Nahverkehr betreffen. Die Metro-Tram ist beispielsweise im Vorfeld der Fußball-WM 2006 umgesetzt worden. Das Olympische Dorf vor den Toren Berlins, genau genommen in Elstal, vermoderte lange. Mittlerweile kümmert sich die Stiftung einer Bank um das Anweisen: Landschaftspflege, Verschönerungsarbeiten und Bausicherung – immerhin. Ein Abschied auf Raten. Ein schöner Ort, voller Geschichte, wenn sich hier nichts tut, dann ist er jedoch irgendwann nicht mehr da.

Die Spiele müssen für die Menschen gemacht werden

Darüber ist nicht erwiesen, dass Olympia tatsächlich ein Minusgeschäft ist. 2,5 Millionen Euro wird sich Berlin allein die Bewerbung für die Spiele kosten lassen – eine gute und richtige Investition. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Die Geschichte hat bewiesen, dass Olympia kein Minusgeschäft ist. Das sind wirtschaftliche Überlegungen, doch soweit sind wir ja noch gar nicht. Lasst uns die Spiele erst einmal nach Berlin holen, dann können wir auch über den Return on Investment sprechen. Sicherlich sind die Bewerbungskosten wie eine Art Wette auf die Zukunft. Doch wir brauchen Ideen und Veränderungen. Nehmen wir das Stadtbild. Berlin ist heute das, was es ist, weil es sich schneller verändert hat als andere Städte. Wer den Moment festhalten will, sich im Status quo wohlfühlt, der wird irgendwann abgehängt.

Olympia in Berlin kann allerdings nur dann realisiert werden, wenn die Spiele für die Menschen gemacht werden. Die Ticketpreise müssen in einem vernünftigen Rahmen bleiben, die Menschen müssen zu einem wichtigen Teil der Spiele werden. Halbleere Stadien sind keine Imagewerbung für Deutschland, sie sind eher schädlich. Die Rechnung ist einfach: Die Athleten sorgen für die Leistung, die Zuschauer für die Stimmung, addiert ergibt das eine große Sache.

Die geschichtliche Dimension

Berlin hat bereits Olympische Sommerspiele ausgerichtet. 1936 war das. Deutschland hatte sich gerade aufgemacht, einem Mann in das schlimmste Verbrechen der Geschichte zu folgen. Die Spiele sollten Auftakt, eine Demonstration werden. Der afroamerikanische Leichtathlet Jesse Owens bewies, dass Rassentheorie und die Ausbalancierung verschiedener Ethnien widersinnig und falsch sind. Noch heute erinnern in der Stadt die Jesse-Owens-Allee oder eine Schule in Berlin Lichtenberg an diesen Ausnahmeathleten.

Mit den Olympischen Spielen haben wir die Chance, an diesen Sommer des Widerstandes zu erinnern. Heute sind die Gebäude jener Zeit längst enthistorisiert. Das ist ein Segen aber auch Mahnung zugleich. Wir können freie Spiele feiern, ohne Terror-Regime, ohne Völkerhass, können Sportsgeist und Fairness bestaunen, können mit Siegern jubeln und Verlierern Anerkennung und Respekt zollen – und wir können uns an damals erinnern.


Unter dem Motto "#OlympiaGehtAuchAnders" findet am 18.2. ab 19.30 Uhr im Radialsystem übrigens eine Diskussionsrunde mit Kulturstaatssekretär Tim Renner und Vertreter der Berliner Kunst- und Kreativszene statt.

Titelfoto: © Shutterstock, graphia

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