Durch Neukölln mit Maggie von der NEUKÖLLN SCHATZKARTE

Jeder Berliner Kiez versteckt in seinen Straßen die größten Schätze – interessante Menschen, spannende Geschichten, von der Masse unentdeckte Lädchen. Man muss sie nur finden. Maggie Coker aus Neukölln weiß, wie sehr die Menschen Schatzkarten lieben. Und sie weiß, wie wichtig eine gute Nachbarschaft ist. Auf ihrer Karte findet man deshalb Orte, die Nachbarn, aber auch Fremde kennen sollten, die etwas mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Sie ist Wegweiser für Locals und Touristen gleichermaßen: die Neukölln Schatzkarte.

Ich treffe Maggie Coker an einem dieser perfekten Sommertage – nicht zu heiß, nicht zu kalt – in ihrem Kiez. Während ich zu ihrem Second-Hand-Shop radele, fluchte ich innerlich bereits auf Google Maps, weil sich der Weg so verkehrt anfühlt. Doch eingekercht in eine kleine Seitenstraße blinkt plötzlich eine bunte Girlande auf – ich bin da. Neukölln, Briesestraße, Rag and Bone Man.

Maggies Laden steckt voller Vintage-Klamotten, Maggie selbst voll guter Ausstrahlung – so eine Person, der man sofort alles erzählen möchte, aber sich doch nicht traut, weil man gleichzeitig vor Bewunderung ein bisschen eingeschüchtert ist. Sie will mir heute ihre Nachbarschaft zeigen, einen Einblick geben in Neuköllns Herzkammern.

Vor sechseinhalb Jahren kam Maggie nach Neukölln. Aufgewachsen ist sie in London, in wie vielen anderen Städten sie noch gelebt hat, kann ich mir nicht merken. Ihr britischer Akzent lenkt ein bisschen ab. Sie erzählt mir, wie sehr sie ihren Neuköllner Kiez dafür schätzt, dass er von den unterschiedlichsten Menschen lebt, gleichzeitig kann sie die Veränderungen zwischen den Häusermauern nicht ausblenden: "In meiner Straße, in der Pannierstraße, haben bereits mehrer Restaurantketten ihre Läden eröffnet. Das ist schade, aber wohl nicht aufzuhalten."

Mit der Neukölln Schatzkarte versucht sie der Kommerzialisierung ein bisschen entgegenzuwirken. Darauf hat sie all die Orte verzeichnet, die man sonst vielleicht nur mit Glück finden würde. Ihr eigenen Laden ist so ein Fall. Daraus entwuchs auch die Idee für eine Übersichtskarte. Mit einer anderen Vintage-Laden-Besitzerin hat sie sich die Kunden hin- und hergeschickt und dabei kleine Wegbeschreibungen gemalt. Also warum nicht direkt mit der ganzen Nachbarschaft verbünden?

Um andere für ihre Idee zu begeistern, öffnet Maggie Tür um Tür in Neukölln und stellt das Konzept der Neukölln Schatzkarte bei kleinen Läden, Cafés, Shops vor. Dabei stößt sie nicht nur auf neue Menschen, sondern auch viel Zustimmung und Dankbarkeit für das Projekt. Die anderen kennen das Auf und Ab, mit dem man als Laden- oder Shopbesitzer manchmal zu kämpfen hat. Dass Maggie keine Probleme dabei hatte, die anderen zu überzeugen, glaubt man sofort. Judith Carnaby, Illustratorin hilft ihr bei der Umsetzung. Die Karte wächst und erscheint im Winter 2013 erstmals in schwarz-weiß, dann in bunt.

"Man kann sich gar nicht vorstellen, wie wichtig es ist, seine Nachbarschaft zu kennen, sich zu vernetzen und sich gegenseitig zu unterstützen", meint Maggie. Als kleines Mädchen habe ihr Vater sie immer dazu gezwungen, allen Nachbarn "Hallo" zu sagen. Damals fand sie es lästig, heute prägt diese offene Art immer noch in ihr Verhalten. Sie kennt alle Nachbarn in ihrem Haus.

Verdient sie eigentlich etwas an der Karte, frage ich sie. Sie verneint und lacht in sich hinein, dieses "Eigentlich ist es verrückt was ich hier mache"-Kichern. Die Läden zahlen zwar einen kleinen Betrag, um auf der Schatzkarte verzeichnet zu sein, aber die Karte selbst liegt kostenlos aus. Das Projekt nehme sehr viel Kraft in Anspruch, meint Maggie, aber man spürt, dass sie diesen Aufwand trotz allem als positiven Stress empfindet. Herz, Blut, Kiez. Durch die Schatzkarte hat sie viele neue Freundschaften geschlossen. Das Feedback der anderen Shopbesitzer treibt sie weiter an – ohne das, hätte sie schon aufgehört.

Vielleicht fände die Schatzkarte bald einen Sponsoren, das wäre natürlich nicht schlecht, sagt Maggie. Aber ihr geht es im Leben nicht ums Geld. Ihr Laden liefe auch nicht immer perfekt, der Umsatz reiche manchmal gerade so zum Leben und Atmen, aber einen anderen Job will sie nicht machen. Stattdessen schwirren ihr schon wieder neue Projektideen durch den Kopf. Diese Energie, ich möchte mich verneigen! Zusammen mit einer befreundeten Floristin ("She is the best!"), Jasmin von Wildflowers, hat sie gerade "Poems and Posies" auf die Beine gestellt: eine Art Fahrrad-Lieferservice für hübsche Blumensträuße, an denen kleine Gedichte hängen. Ein weiterer Schatz für die Karte.

NEUKÖLLNER SCHÄTZE

Balera Weinhandlung

"Bei Sara kann man sich den Wein selbst zapfen und jeder schmeckt toll. Es beliefern sie nur 4-5 italienische Winzer. Für unser letztes Neuköllner Business-to-business-Meet-up in meinem Laden hat Sara uns ein bisschen Wein zur Verfügung gestellt, das war super. Meet-ups machen wir häufiger, damit sich die lokalen Läden kennenlernen."

Balera Weinhandlung | Karl Marx Platz 6 | Montag, Dienstag, Donnerstag, Frreitag 15 - 22 Uhr, Mittwoch & Samstag 11 - 22 Uhr

Neukölln Schatzkarte

Körnerpark

"Der Körnerpark ist ein echtes Schmuckstück inmitten von Neukölln. Hier denkt man, man sei woanders. Dass der Park so schön ist, liegt auch daran, dass es viele Einschränkungen gibt. Man darf hier nicht grillen oder so. Man sollte die Location aber eigentlich noch besser nutzen und hier mehr Konzerte veranstalten."

eßkultur im Körnerpark | Schierker Straße 8 | Dienstag — Sonntag: 11–18 Uhr (sonntags ab 11 Uhr Brunch & ab 18 Uhr Konzerte)

bohazel

"Ich könnte alles in diesem Laden kaufen - so schöne Sachen! Den Laden betreibt ein Pärchen. Deren Idee war es eigentlich, herumzureisen und dabei neue Produkte zu entdecken. Dann haben sie allerdings ein Baby bekommen, so dass die meisten Produkte hier von ihrer letzten Reise nach Marokko stammen."

bohazel | Kienitzer Strasse 111 | Montag - Samstag 13 - 19 Uhr, Donnerstag geschlossen

Zins Organic Haircare Salon

"Mit Nadine war ich am Wochenende noch feiern. Sie hat ihren Friseurladen ganz frisch eröffnet und sich auf Bioprodukte spezialisiert. Eigentlich hatte sie nie geplant, einen eigenen Laden haben. Aber jetzt ist es so gekommen, weil der vorherige Laden, wo sie gearbeitet hat, geschlossen hat."

Zins Organic Haircare Salon | Thomasstr. 59 | Montag - Samstag 10-19 Uhr

Neukölln Schatzkarte

Roamers

"Eigentlich hat Roamers keine PR mehr nötig, der Laden läuft super. Aber ich mag es echt gern hier, der Kaffee ist phänomenal und das Essen der Hammer. Dem Betreiber durfte ich sogar schon den Bart trimmen. Das will was heißen."

Roamers | Pannierstraße 64 | Dienstag - Freitag 09:30 - 19 Uhr,  Samstag & Sonntag 10 - 20 Uhr

Neukölln Schatzkarte


Danke, Maggie. Noch mehr Infos zur Neukölln Schatzkarte findet ihr hier. Die Sommerkarte erscheint auch bald.


Fotos: © Milena Zwerenz

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