#YallaDeutschland: Was gesagt werden muss.

In den letzten Wochen habe ich Angst gehabt. Ich habe die Nachrichten gelesen und Angst gehabt. Immer neue Kürzel für immer neue Protestformen gegen alles, was fremd erscheint. In Dresden marschierten am Montag rund 10.000 unter dem Banner "Pegida" gegen vermeintliche "Islamisierung" des Taka-Tuka… eh "Abendlands". Sogar in meiner eigentlich so weltoffenen Heimatstadt soll sich eine "Pegida"-Variation gegründet haben. "Ewiggestrige" heißt es allenthalben, eine Minderheit.

Dann will auch die CSU auf den fahrenden Zug aufspringen und fordert, überspitzt ausgedrückt, eine Deutschpflicht im Privaten. Ich mache Medien, ich weiß natürlich, dass das verzweifelte Versuche sind, die eigenen Reihen beisammen zu halten und den Abgang vieler Wähler zu den sich höchst selbstgerecht als "Alternative für Deutschland" titulierenden Neu-Rechten aufzuhalten. Die CSU wurde dafür von der großen Schwesterpartei runtergeputzt und sogar öffentlich vom Auswärtigen Amt der Lächerlichkeit preisgegeben.

Selbst wenn ich meine Muttersprache vergesse, meine Religion aufgebe, am Ende bleibt mir immer noch meine nackte Haut und sie ist nicht weiß

Für mein Umfeld war mein Horror gegenüber all dem daher unverständlich. Ich kann absolut verstehen, dass es für viele überzogen klingt, wenn ich mich über "Pegida", "Hogesa" oder den völlig absurden Vorstoß der CSU echauffiere und immer wieder sage, dass mir das Angst macht, nackte Angst, dass ich mich unwohl fühle, dass ich meine Zukunft in Deutschland, meinem Zuhause, infragestelle. Doch genau darin zeigt sich das Problem, das das Verhältnis von Minderheit- zu Mehrheitsgesellschaft kennzeichnet, genau hierin zeigt sich "White Privilege".

Meine Freunde können über die CSU lachen, die meisten denken sich "Pegida, das sind ein paar verwirrte Alte", und "Ach, die Aluhutträger reden mal wieder Quatsch". Ich höre "Steigere dich mal nicht rein", "Nimm das nicht so ernst, man muss darüber lachen" – doch all diese Diskurse gehen mir nahe, denn sie greifen den Kern dessen an, was ich bin, wer ich bin, ob ich nun will oder nicht. Denn selbst wenn ich meine Muttersprache vergesse, meine Religion aufgebe, am Ende bleibt mir immer noch meine nackte Haut und sie ist nicht weiß.

Solidarität ist unsere einzige Waffe gegen den Rückschritt, gegen die Gewalt, gegen das Böse auf der Welt

Dinge wie bikulturelle und multilinguale Erziehung sind für die meisten abstrakte Konstrukte. Für mich sind sie aber Alltag. Genauso wie auch leider Islamophobie, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit. Und es ist auch gar nicht schlimm, dass es eben für die meisten abstrakt ist – genauso wenig kann ich mir die Situation einer jüdischen Journalistin, die nach Israel ziehteines schwarzen Teenagers in Fergusoneines Studenten in Mexiko nicht vorstellen. In der echten Welt ist es eben nicht möglich, anderer Leute Mokassins zu tragen, Lebensrealitäten zu durchleben.

Doch statt klugen Rat zu geben oder Ängste abzutun mit "Nimm das mal nicht so ernst", wäre es wichtig, zusammenzustehen, zuzuhören, solidarisch zu sein. Es geht nicht darum, Privilegien anzugreifen (das ist ein völlig anderes Feld) – es geht darum, sich ihrer bewusst zu sein, und damit aber auch dem Nicht-Privileg des Gegenübers. Denn unsere Solidarität ist unsere einzige Waffe gegen den Rückschritt, gegen die Gewalt, gegen das Böse auf der Welt.


Titelfoto: © Caruso Pinguin, flickrCC
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