Was unsere Autorinnen auf den Straßen in Berlin erleben

Vor ein paar Tagen ging ein Video viral, in der eine Frau 10 Stunden durch New York gelaufen ist und dabei gefilmt wurde, wie oft sie unangenehm angemacht wurde. Ich habe mir das angeschaut, aber irgendwie gedacht, dass das hier in Berlin so nicht stattfindet. Weder habe ich so etwas selbst beobachtet, noch hat mir eine Freundin oder eine Kollegin so etwas berichtet. Weil es mich dann doch interessiert hat, habe ich Redaktionschat nachgefragt, ob unsere Autorinnen derartiges in Berlin erleben. Welche Abgründe sich hier aufgetan haben, hat mich umgehauen.

 

Matze: "Ernsthafte Frage an alle Damen hier: Dieses belästigende Vollgequatschtwerden in der Bahn, auf der Straße von Männern - kennt ihr das? Erlebt ihr diese Belästigung in Berlin/London/Hamburg auch so?"

Julia: "Warschauer Straße/Brücke. Jedesmal."

Aida: "Egal wo, egal wann, egal, wie ich aussehe."

Isabelle: "Kommt immer auf den Bezirk an. Hier im Prenzlauer Berg nicht, deshalb wohne ich ja hier. In anderen Bezirken ja ja ja."

Charlott: "Selten. Wenn dann mal ein 'Hey'. Ich glaube, ich guck einfach zu grimmig, da traut sich keiner, mich anzusprechen."

Aida: "Nachtrag: Es passiert in Berlin schon weniger/anders als woanders. Hier wird weniger offensiv angesprochen, als vielmehr angestarrt oder gemurmelt. Und irgendwann habe ich gemerkt, wie es zu Normalnull geworden ist und ich es als 'Grundrauschen' gar nicht mehr wahrnehme."

Saskia: "Oft. Einmal auch von einem Geschäftsmann auf der Friedrichstraße. Oder mal nach dem Fitnessstudio (als ich wirklich einen hochrotem Kopf hatte) von einem, der mich daher wohl kannte und dann in der 'Eberswalder Street', wie er es genannt hat, einen Cocktail trinken wollte."

Kathrin: "Ja. Das ist eigentlich Alltag."

Isabelle: "Ich saß mal in der S-Bahn und dann hat ein Kerl einen Steifen bekommen. Ich war mit ihm dort fast alleine um 13 Uhr – seitdem fahre ich sehr ungern alleine S-Bahn."

Anonym: "Mir ergeht's ähnlich wie Charlott, ich schaue wohl zu grimmig. Zudem hängt die Antwort in der Tat von Uhrzeit und Ort ab, außerdem der Definition von 'vollgequatscht'. Etwas unangenehmer ausgedrückte 'Hey na's?!' und uncharmant formulierte 'Komplimente' kommen hin und wieder vor – mit wenig Blickkontakt lässt sich das aber meist vermeiden, ist meine Erfahrung. Nachhaltiger ist, dass ich vor Jahren innerhalb weniger Monate nachts auf der Reichenbergerstraße an eine Hauswand gedrängt wurde, sich der junge Typ dann wunderte, warum ich denn so hysterisch werde. Er wolle doch nichts Böses. Passiert ist nichts, außer Herzrasen. Wenige Wochen später griff mir einer, als ich die Treppe an der Schlesischen runter ging unter den Rock und noch auf dem selben Nachhauseweg begleitete mich einer ungefragt bis zur Haustür. Das ist Jahre her, aber wirkt noch nach."

Sarah: "Miesester Moment war auf jeden Fall Abends auf den SEV am Potsdamer Platz warten und dann von einer Gruppe von Jungs angebaggert/angepöbelt werden. Da gehen schon die Alarmglocken an, besonders wenn keine Passanten in der Nähe sind."

Saskia: "Gegen die Hauswand geschubst werden oder, dass man einfach mal auf den Hintern gehauen wird (auch wenn der Freund daneben steht) ist mir leider auch schon passiert, ansonsten geht es mir wie Aida und man versucht das Grundmurmeln zu ignorieren."

 

Es ist doch wirklich unfassbar, was unsere Autorinnen (und andere Frauen) hier erleben. Dass dieses Grundrauschen schon normal ist. Braucht es einen Code? Braucht es Trillerpfeifen, die zum Schutz aus der Tasche geholt werden können? Ich weiß es nicht. Was es definitv braucht ist, dass darüber gesprochen wird. Dass wir Jungs ein Schutzauge auf die Mädchen haben und helfen. Und nachfragen.

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