Kirsten Dunst und der Selfie-Wahn


Seitdem das Oscar-Selfie von Ellen de Generes alle Twitter-Rekorde gebrochen hat (und weiterhin das am meisten verbreitetste Twitter-Foto der Welt ist), sind Selfies nicht mehr aus der Realität wegzudenken. Alles muss im besten Fall zu einem auf Instagram oder Facebook teilbaren Erlebnis werden, frei nach der Regel: Was nicht gepostet wird, ist nicht passiert. Diese Entwicklung kritisiert Kirsten Dunst nun in dem Kurzfilm "Aspirational" von Matthew Frost.

Neben Kirsten Dunsts Kommentar zum Selfie-Wahn, hat sich Regisseur und Filmemacher Matthew Frost dem Phänomen der "Celebrity"-Kultur schon lange aus einer anderen Richtung genähert. Frost hat bereits 2013 angefangen, zusammen mit der amerikanischen Vogue eine Kurzfilm-Serie zu drehen, in denen Schauspielerinnen wie Jessica Chastain oder Kate Winslet aus ihrer Perspektive die obsessive Beobachtung und Forderung nach ständiger Präsenz ihrer öffentlichen Person konterkarieren. Mit diesem Trick führt Frost gekonnt die ewige Angst vor der eigenen Durchschnittlichkeit vor, zu deren Bekämpfung in diesen Zeiten der richtige Instagram-Filter oder das heimliche Fotografieren von berühmten Personen geworden ist.

Wenn alles nervt, sollten Mädchen zumindest Blumenkränze im Haar tragen dürfen, das Licht golden sein und der Soundtrack des Lebens von der Schallplatte kommen

In seinen Filmen schafft der Amerikaner eine Hyper-Hipster-Realität, die zu einer eigenen Kunstform wird. Frost ironisiert das Mode- und Filmbusiness, in dem er den Stil von Filmen, die uns eine unerreichbare Realität vorgaukeln, kopiert. Wer den Werbefilm "In the Rainbow House" mit Devendra Banhart sieht wird wohl kaum leugnen können, dass er sich für einen kurzen Moment in dieses sonnendurchflutete Haus zum Nichtstun sehnt. Diese heimliche Sehnsucht nach einem schöneren, filmhaften Leben zeigt Frost auch perfekt in seinem "Fashion Film", in dem Schauspielerin Lizzy Caplan eine eigene Traumwelt inszeniert, die ihr als Flucht aus der langweiligen Realität dient.

Es scheint fast so, als hätte Frost uns alle dabei ertappt, wie wir uns nach einem Wes-Anderson-artigen Indie-Leben sehnen, das uns für einen kurzen Moment vom Arbeitsstress befreit. Wenn alles nervt, sollten Mädchen zumindest Blumenkränze im Haar tragen dürfen, das Licht golden sein, Computer durch Schreibmaschinen ersetzt werden und der Soundtrack des Lebens von der Schallplatte kommen. Dass das am Ende sehr wenig mit der eigenen Realität zu tun hat, ist eine Nebenwirkung, die für das Gefühl des filmreifen, romantischen Lebensmomentes in Kauf genommen wird und sich in den hunderten Fotoautomat-Streifen und Polaroids manifestiert, die an Berliner Kühlschränken hängen.

Bei der von Kirsten Dunst großartig dargestellten Selfie-Absurdität in "Aspirational" kommt dann auch Andy Warhol ins Spiel, der schon in den 70er Jahren seine berühmten "15 minutes of fame" für jeden prophezeit hat, die heute im Instagram-Zeitalter mehr denn je aktuell zu sein scheinen. Was Warhol allerdings nicht erahnen konnte, ist die Tatsache, dass die sehnsüchtige Frage "Can you tag me?" und die Jagd nach Selfies am Ende einen sehr vampirhaften Charakter bekommen, den Kirsten Dunst mit ihrer leicht verzweifelten Frage "Do you wanna talk or anything?" im Kurzfilm vollkommen großartig ad absurdum führt.

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