"Es ist nicht immer leicht, ein Rebell zu sein." Zhivago Duncan im Porträt

Zhivago Duncan. Ein Name wie ein Basketballer. Eine Erscheinung wie ein Rockstar. Im verbalen und multimedialen Ausdruck aber ein Künstler. Duncan spricht sechs Sprachen, ohne jemals Sprachkurse belegt zu haben, behauptet er. Er wertschätzt die Freiheit, die Berlin ihm wie keine andere Stadt bietet, sein Beruf ihm aber wohl auch wie kein anderer ermöglicht. Er ist mehrfach tätowiert, trägt eine Fischermannsmütze, lächelt wie ein bad boy, raucht und trinkt "Absolut".

Er ist der Repräsentant des heutigen Berlins und wohl deshalb auch stark präsent. Seine Malereien hingen beim POINTER Event "Are we having fun?" und wenige Meter entfernt bei der "KIK TWO"-Ausstellung im Kino International. "Through his sprawling, messy multimedia artworks, Zhivago Duncan comments on the state of contemporary culture and its obessions, crassly quoted and re-created from an irreversibly apocalyptic future point of view", kommentiert der Kunstsammler Saatchi. Keine schlechte Entscheidung des Spirituosen-Herstellers "Absolut" das Design der Berlin-Edition - die erste deutsche Stadtedition überhaupt - Zhivago zu überlassen. Wir treffen uns anlässlich des Launches besagter Flasche, die ab 15. Mai in limitierter Auflage verfügbar sein wird.

Also Zhivago. Sprechen wir Deutsch?
Zhivago Duncan: "In Interviews bevorzuge ich immer noch Englisch. Das ist die Sprache, in der ich mich am genauesten ausdrücken kann."

Gut, dann in Englisch. "Es ist nicht immer leicht, ein Rebell zu sein", lautet dein Credo. Wogegen rebellierst du? Oder, ich formuliere es anders: Wofür stehst du ein?
Für Freiheit. In der Lage zu sein, außerhalb der sozialen Regeln und Kontexte zu stehen, so wie das in Berlin möglich ist. Auch wenn einiges passiert, was Berlin negativ verändert, bietet die Stadt eine hohe Lebensqualität. Ich erinnere mich daran, wie ich zum ersten Mal nach Sofia gereist bin. Eines Tages war ich bei einem Freund im Studio, als ein Mann auf einem Esel durch die Stadt ritt. Ich habe das geliebt. Er meinte, er könne es nicht erwarten, dass sich das ändert. Wenn es dann aber passiert, wird man genau das vermissen und nostalgisch sein hinsichtlich der alten Zeit. Was inzwischen passiert ist, durch den Beitritt zur EU, mit all den Investments von Außen – die Qualität des Lebens in Bulgarien wurde einfach nicht besser. In Berlin aber bleibt diese trotz vieler Veränderungen erhalten.

Was bedeutet für dich Nostalgie?
Die Erfindung meines Alter-Egos 'Dick Flash' zum Beispiel.

Er wird mit dir als Künstler genannt. Wer war das denn nun und wie habt ihr euch getroffen?
Ich habe ein paar Alter Egos erfunden, die mich als einzelnen Künstler entlasten. Ich selbst bin ja halbdänisch, in Indiana geboren, aufgewachsen in Frankreich, Bulgarien. Das Thema verlorene Kultur und Identität zieht sich durch meine Arbeiten und drückt sich in den Charakteren aus. Dick Flash ist eine Art Comic-Charakter. Er ist der einzige Überlebende einer Apokalypse. Er streift umher, hinterlässt Nachrichten und Zeichen. Er ist derjenige, der den Fernsehturm erklimmen und das Graffiti 'Es ist nicht immer einfach ein Rebell zu sein' dorthin sprayen würde.

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Dieser Dick Flash hat ein erstaunlich sauberes Design für die Absolut-Flasche entworfen. Ein Design, das ein starker Bruch ist zum Visual seiner vergangenen Ausstellung im Berliner CFA – ein Totenkopf, sein Name vermeintlich mit Blut geschrieben. Und Flieder, Gelb, Türkis sind auch so gar nicht die Farben, die man mit diesem weiterhin schäbigen und improvisierten Berlin assoziiert. Das Grau, erklärt Duncan, repräsentiere die Betonstrukturen, Grün die urbane Natur, Türkis die Oxidation alter Statuen. Der warme Gelbton erinnere an die Farbe, die Backsteinwände verfallener Gebäude bei Sonnenuntergang annehmen. Das Pink kennt (nicht nur) Duncan vom Morgen einer durchfeierten Nacht. Es steht für den Sonnenaufgang. Zhivago wollte aber bewusst, dass alles etwas "pretty" werde. "Zuerst wollte ich den Turm des Tegler Flughafens mit seiner surrealen Architektur zum Monument erheben, das war aber zu kontrovers. Der finale Entwurf wurde dann zum Glück ohne Kompromisse angenommen." Integrität gewahrt. Alles Andere hätte auch weder zu Zhivago, noch Dick Flash gepasst.

Im Video zum Projekt charakterisierst du das Berlin der Vergangenheit, zumindest sprichst du von "war" statt „ist“. Wie ist es denn hier jetzt?Ganz anders, hat aber die Essenz dessen erhalten, wie es einst war. Ich werde nicht sagen, dass das Leben hier billig ist, der Rest der Welt ist nur unfassbar teuer. Berlin achtet aber auf seine Menschen.

Weswegen du bleibst?
Es ist tatsächlich das erste Zuhause, das ich ausgewählt habe. Ich bin hier seit sieben Jahren, was die längste Zeit ist, die ich jemals an einem Ort verbracht habe.

Wie hätte das Design Berlins damals ausgesehen?
Wie die Toilette des White Trashs. (Er lacht) Es hätte definitiv mehr Graffiti-Elemente gehabt.

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Zhivago gibt dem Elefant im Raum keinen Namen. Die Maschine, die er für seine später stattfindende Performance gebaut hat, nennt er trotzdem "The Gentrifier". The Gentrifier ist ein fahrbares Konstrukt, an dem Spraydosen befestigt sind. Vor einem schicken Publikum unter Schutzmasken schüttelt er die Spraydosen showreif mit einem Assistenten und fährt das Konstrukt dann langsam entlang einer Wand mit Schwarz-Weiß-Fotografien von Berlin. Am Ende des Life-Colorings sind diese mit den von der Absolut-Flasche bekannten Farbstreifen überzogen. Die Masse jubelt. Seine Arbeiten, Installationen und Malereien sind ein augenzwinkernder Kommentar und Seitenhiebe auf die heutige Gesellschaft, unser Streben nach Glamour und Reichtum, z.B. mit Schriftzügen wie "To Seperate The Bacon From The Fat Is Impossible" (2010-2011) und Werkstiteln wie für seine Installation "Pretentious Crap" (2010-2011). Dafür bedient er sich oftmals Porträts heutiger und vergangener Popkulturen und lehnt sich stilistisch an die Pop Art an.

"Gentrification" wie auch "Gentrifier" übrigens, erklärt er mir, kommt von dem Ausdruck "to make gentle". Ich interpretiere es als Prozess des einander kompatibel Machens, eine Art Weichzeichnung. Ich überlege, wie genau ich den Gentleman mit dem Prozess der Gentrifizierung zusammenbringe – Männlichkeit verpackt in kontrastierender Einfühlsamkeit? Irgendwie so.

Dick Flash ist Ausdruck deiner persönlichen Nostalgie. Wonach selbst sehnst du dich?
Nach einer Zeit, in der es weniger Menschen gab, und ich einen größeren Teil der Welt nur für mich gehabt hätte. Das ist wahrscheinlich total egoistisch.

Damit können wir gut abschließen. Vielen Dank!

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