Christian ist mein Freund nach drei Gin Tonic

© Matze Hielscher

Als Single plant man sich sein Leben mit mehreren Sicherheitsnetzen. Da gibt es den engen Freundeskreis, der uns bei einem Glas Rotwein gut zuredet und uns verspricht, dass der Typ uns eh nicht verdient hatte. Den mitfühlenden Arbeitskollegen, der notfalls für uns einspringt, wenn wir aus einem Tief aus Selbstmitleid und Löffel-Nutella nicht herauskommen. Und wir haben den Sushi-Mann, der uns freundlich an der Tür grüßt und am Katersonntag mit Vitaminen und Kohlenhydraten versorgt. Außerdem habe ich Christian.

Christian und ich haben uns vor zwei Jahren kennengelernt. Die einzigen Schwulen auf einer WG-Party. Das ließ uns anbandeln. Ich mochte Christian von Anfang an. Wir haben uns über Mode unterhalten. Über Indie-Bands und Game of Thrones. Seitdem haben wir uns nur ein paar Mal gesehen. Jedes Mal mit ein bisschen Spannung. Jedes Mal gab er mir das Gefühl, attraktiv und witzig zu sein. Richtig begehrenswert sogar. Das gefiel mir. Über eine Beziehung oder das bekannte "Mehr" dachte ich bei Christian nie nach. Nur nach drei Gin Tonic, dann ist Christian meine beste Option. Das meint zumindest mein hungriges Herz.

Letzten Freitag war es wieder soweit. Ich laufe um vier Uhr nachts vom Rosenthaler Platz nach Hause. Mit Zigarette in der Hand und Schal um die Ohren gebunden. Es war ein guter Abend mit schlechtem Nachgeschmack. Meine Pärchenfreunde gehen mit ihren Liebsten in die gemeinsamen Wohnungen, die Singles der Gruppe gehen zusammen weiter ins Kater Blau. Ich laufe alleine. Behäbig drücke ich auf meinem Mobiltelefon herum, bis ich seine Nummer finde. Christian ist immer unterwegs, daher habe ich kein schlechtes Gewissen, ihn betrunken anzurufen. Auch um vier Uhr nachts nicht.

Ich glaube, viele Hauptstadt-Singles haben einen Freund nach drei. So ein letztes Sicherheitsnetz, eine Anlaufstelle mit Heimatgefühl.

Christian grüßt mich von der anderen Seite der Leitung. Seine Stimme klingt genauso in Alkohol getränkt wie meine. Auf ihn kann ich mich verlassen. Wir reden über unser Wochenende und dass wir uns schon wieder verpasst haben. Er erzählt mir von seiner Arbeit und dass er den neuen Verkäufer nicht leiden kann. Wir scherzen und lachen. Mit wenigen Sätzen fühle ich mich verstanden. Angekommen. Er sagt, dass er mein schönes Gesicht bald wiedersehen will und obwohl ich weiß, dass es nicht dazu kommen wird, versichere ich ihm, dass wir das schaffen werden. Nach einer telefonischen Umarmung und einem geflüsterten "Bis bald, Süßer" drücke ich auf das rote Auflegen. Unsere "einmal im Monat"-Routine ist perfekt.

Meine Freundin Anna hat auch einen Christian. Bei ihr geht es aber über einen Anruf hinaus bis ins gemeinsame Bett. Mit vertrautem Sex und Brötchen am Morgen. Mein Christian fängt mich nur mit einem emotionalen Vorspiel auf. Das reicht mir auch. Ich glaube, dass viele Hauptstadt-Singles einen Freund nach drei haben. So ein letztes Sicherheitsnetz, wenn der Drahtseilakt aus Dates, Alkohol und Selbstverwirklichung mal nicht gelungen ist. Eine Anlaufstelle mit Heimatgefühl.

Ich glaube nicht, dass Christian weiß, wie wichtig er in meinem Lebensgefüge ist. Vielleicht muss er das auch nicht wissen. Dennoch sollte ich ihm beim nächsten Mal zumindest "Danke" sagen. Für die geretteten Abende und Komplimente. Und für seine Telefonnummer.

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